Side Quest: Game Development
Wie lässt sich Spielentwicklung neben dem Job in den Alltag integrieren?
In der aktuellen Zeit finden viele Berufstätige Gefallen an der Spieleentwicklung. Doch den Traum zu verfolgen, Spieleentwicklung neben dem regulären Beruf auszuüben, birgt sowohl faszinierende Möglichkeiten als auch erhebliche Herausforderungen. An erster Stelle steht neben der vermeintlichen Zeitknappheit die Überforderung durch unrealistische Erwartungen. Es erfordert besondere Herangehensweisen – vor allem, wenn man als Solo Game Developer aktiv wird und mit einer enormen Vielzahl an Fähigkeiten jonglieren muss.
All diese Probleme können große Hürden darstellen. In ihrer Summe können sie so einschüchternd wirken, dass einen schon nach den ersten Gehversuchen die Motivation verlässt. Das muss nicht sein. In diesem Beitrag möchte ich teilen, wie es mir persönlich gelungen ist, Spieleentwicklung nachhaltig in meinen vollgepackten Alltag zu integrieren – in der Hoffnung, dass diese Ideen euch ebenfalls helfen.
Der treibende Faktor
Zunächst muss mit einem verbreiteten Irrglauben aufgeräumt werden: Ein häufiger Ratschlag für das Erreichen von Zielen und die Verwirklichung von Träumen ist, einen eisernen Willen und absolute Selbstdisziplin zu entwickeln. Diese Eigenschaften sind zweifellos hilfreich, um sich durch harte Zeiten zu kämpfen – Zähne zusammenbeißen und durch. Doch wenn wir davon sprechen, neben dem Beruf einer Leidenschaft nachzugehen, ist genau das oft der falsche Ansatz. Wenn der Weg zum Ziel keinen Spaß macht, ist das Ziel es dann überhaupt noch wert?
Es braucht etwas anderes: erreichbare Meilensteine, die langsam und nachhaltig dazu führen, Spieleentwicklung in den Alltag zu integrieren – ganz ohne Druck und Stress. Diese Phasen sind kein starrer Weg, sondern eine anpassbare Leitlinie, die sich den eigenen Zielen und Lebensumständen anpassen lässt. Der wichtigste Faktor bei Entscheidungen auf dieser Reise ist der Spaß an der Sache selbst. Sobald dieser nicht mehr gegeben ist, sollten die Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass er zurückkehrt. Freude am Prozess ist die Voraussetzung dafür, auch nach Feierabend Zeit und Energie zu investieren.
Phase 1: Gewohnheit finden
In der ersten Phase liegt der Fokus darauf, eine stabile Gewohnheit aufzubauen und den Spaß an der Spieleentwicklung zu entdecken. Diese Phase ist das Fundament für langfristigen Erfolg. Es geht nicht darum, sofort ein fertiges Spiel zu entwickeln, sondern sich dem Umfeld und dem Prozess spielerisch und unbeschwert zu nähern – neugierig zu sein und Neues zu entdecken.
Ein Schlüssel kann sein, Indie-Titel auszuprobieren. Plattformen wie itch.io bieten eine Vielfalt kreativer, kleiner Spiele, die oft ganz andere Ansätze verfolgen als große AAA-Produktionen. Diese Werke inspirieren und zeigen, dass es Raum für frische Ideen gibt, fernab konventioneller Normen. Wer nur AAA spielt, entwickelt oft auch AAA-Ansprüche an sich selbst – eine gefährliche Hürde zu Beginn.
Ebenso wertvoll sind lokale Developer-Meetups und Communities. Das Kennenlernen von Menschen in diesem Umfeld und ihrer Geschichten – was sie antreibt oder hindert – kann enorm motivierend sein. Einsichten in die Arbeit anderer Entwickler:innen lösen schnell Selbstzweifel, denn man erkennt: Jede:r kämpft mal mit Problemen und Blockaden und „kocht auch nur mit Wasser“.
Ein weiterer Aspekt ist das Erreichen von Routine. Das bedeutet, sich bewusst feste Zeiträume zu schaffen und kleine, überschaubare Aufgaben zu definieren, die nicht mehr als 30 Minuten dauern. So wirken Vorhaben weniger überwältigend, und man gewöhnt sich daran, regelmäßig kleine Erfolge zu erzielen. Das könnte sein: ein Zeichenprogramm ausprobieren, einen Indie-Titel testen oder eine Spielmechanik skizzieren. Stück für Stück entsteht so eine produktive, entspannte Arbeitsweise, die den Horizont erweitert.
Hat man sich einen Überblick verschafft und eine spaßbringende Routine aufgebaut, kann man mit gutem Gewissen zur nächsten Phase übergehen.
Phase 2: Veröffentlichung im persönlichen Netzwerk
Mit den gewonnenen Erfahrungen und der etablierten Routine ist das Ziel, ein kleines Spiel zu entwickeln und im eigenen Umfeld zu teilen. Freunde, Familie und enge Kolleg:innen sind wertvolle erste Kritiker:innen, die ehrliches Feedback geben können. Es geht hier nicht um eine große Veröffentlichung oder eine perfekte Spieleidee. Ziel ist allein, ein Projekt von der Idee bis zum Abschluss zu bringen, zu präsentieren und Rückmeldungen einzuholen. Alles darüber hinaus kann in der nächsten Phase stattfinden. Kreativität in größerem Maßstab setzt voraus, dass wir zuvor das Handwerk und die Routine erlernt haben.
In dieser Phase sind klare Deadlines und realistische zeitliche Begrenzungen entscheidend, um Projekte trotz Beruf voranzutreiben. Der Austausch im persönlichen Umfeld motiviert und bringt oft neue Perspektiven. Gleichzeitig trainiert man, konstruktive Kritik anzunehmen – eine wichtige Fähigkeit für den späteren Schritt auf größere Bühnen.
Wichtig ist auch, Prioritäten zu setzen: auf das Wesentliche konzentrieren, statt sich in Perfektion zu verlieren. Originalität ist kein Muss – es reicht völlig, einer bestehenden Idee (z. B. Space Invaders) einen eigenen Touch zu geben. Dieses Fundament wirkt wie ein Sicherheitsnetz, sodass man den Fokus auf den Prozess legen kann und sich nicht sorgen muss, dass das Spiel nach all der Mühe keinen Spaß macht.
Phase 3: Kommerzielle Veröffentlichung ohne Gewinnfokus
Sobald man Vertrauen in den eigenen Prozess und die Fähigkeit zum Projektabschluss gewonnen hat, öffnet sich die Tür zur dritten Phase: der kommerziellen Veröffentlichung. Hier geht es nicht um hohe Einnahmen, sondern darum, den gesamten Ablauf kennenzulernen – von Marketing über Community-Feedback bis hin zum Vertrieb auf einer gängigen Spiele-Plattform wie bspw. Steam. An diesem gesamten Prozess hängt weit mehr, als man zuerst vermuten mag.
Gerade an diesem Punkt können Zahlen wie Steam-Wishlists oder Verkaufsstatistiken mental belasten. Der Fokus sollte daher weiterhin auf dem Prozess liegen: Welche neuen Aufgaben, Herausforderungen und Probleme entstehen – und wie kann ich sie bewältigen? Der Erfolg ist zweitrangig. Das oberste Ziel bleibt, Leidenschaft und Freude zu bewahren. Marketing sollte Spaß machen und sich problemlos in den Alltag integrieren lassen – nicht nur den besten Zahlen dienen.
Eine lohnende Möglichkeit ist die Teilnahme an Festivals oder Events. Dort bekommt man ehrliches Feedback von völlig fremden Spieler:innen – ein wertvoller Blick von außen. Wichtig ist, negative Rückmeldungen als Chance zur Weiterentwicklung zu sehen.
Phase 4: Entwicklung mit Gewinnabsicht
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich mich persönlich noch in Phase 3 befinde. Ich wage mich erst dann in eine neue Phase, wenn ich mich in der aktuellen sicher fühle – auch wenn das bedeutet, Phase 4 vielleicht erst in vielen Jahren oder nie zu erreichen. In dieser Phase verschiebt sich der Fokus: Spieleentwicklung soll nun einen Teil des Lebensunterhalts sichern. Das bringt neue Herausforderungen – der Markt ist dynamisch, die Anforderungen sind hoch, und der Erfolgsdruck kann Kreativität und Motivation stark einschränken.
Das Ziel ist, einen fundierten Projektplan zu entwerfen, eine Monetarisierungsstrategie basierend auf Marktanalysen auszuarbeiten und diese bestmöglich umzusetzen. Dazu ist es unerlässlich, im Handwerk so sattelfest zu sein, dass komplexe Aufgaben, knifflige Probleme und enge Zeitpläne nicht überfordern.
Fazit und Zusammenfassung
Spieleentwicklung als Nebenbeschäftigung erfordert ein feines Gleichgewicht zwischen Leidenschaft für das Handwerk und den täglichen Verpflichtungen. Die hier vorgestellten Phasen bieten einen Rahmen, um diese kreative Reise Stück für Stück in den Alltag zu integrieren. Der wichtigste Grundsatz: den Spaß an der Sache bewahren. Nur so wird der Weg nicht nur erfolgreich, sondern auch lohnend und erfüllend.