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Herausforderungen von KI im RTS-Genre

4 Minuten Lesezeit

Echtzeit-Strategie-Spiele besitzen eine große Spieltiefe. Das bedeutet, dass viele Entscheidungen unterschiedlicher Folgenschwere getroffen werden müssen, deren Folgen direkt oder erst nach vielen Spielminuten eintreffen können. Aus diesem Umstand folgt, dass künstliche Intelligenz für dieses Genre zu entwickeln nicht damit endet, ein einziges Modell zu entwerfen. Eine KI für ein RTS ist mehr eine Orchestrierung von vielen Modellen, welche zusammenspielen. In diesem Beitrag möchte einen Überblick darüber geben, welche Teilaspekte des Genres existieren und wie sich potenzielle KI-Lösungen unterscheiden müssen.

Ebenen der Entscheidungen

Diese Spielentscheidungen lassen sich in die Kategorien Strategie, Taktik und reaktive Kontrolle unterteilen. Oftmals werden auch die Begriffe Micro-Management und Macro-Management im Zusammenhang von RTS-Spielen genannt. Beide Begriffe beschreiben Spiel- entscheidungen, unterteilen sie jedoch in zwei, statt drei Kategorien.

  • Strategie: Beschreibt die höchste Abstraktionsebene von Spielentscheidungen. Strategie kann auch mit der Fähigkeit zu Planen beschrieben werden. Es werden Vermutungen angestellt, z.B. wie die Beschaffenheit der Spielkarte sich auf den Verlauf des Spiels auswirken wird. Die spielende Person muss anschließend entscheiden, welches Vorgehen sich am besten eignet und auch welche Strategien der Gegner verfolgen wird. Die Frage danach, ob ein aggressiver oder defensiver Spielstil die bessere Wahl ist, ist eine Strategische. Welche wirtschaftliche Strategie für die Ressourcenverwaltung die effizienteste ist, im Bezug zur vermuteten Strategie des Gegners. Strategische Entscheidungen werden in der Regel alle drei Minuten getroffen. Dieser Aspekt von RTS-Spielen wird kein Teil der Arbeit sein. Spielentscheidungen bei der Einnahme einer Befestigung finden auf den folgenden beiden Ebenen statt.
  • Taktik: Beschreibt die Umsetzung der Strategie. Darin enthalten sind Entscheidungen darüber, den besten Moment für einen Angriff zu erkennen oder den richtigen Moment abzupassen, um neue Ressourcen zu erschließen bzw. Angriffe des Gegners vorauszuahnen und präventiv dagegen vorzugehen. Wie auch bei strategischen Entscheidungen werden taktische Entscheidungen oftmals unter Ungewissheit getroffen. Aus dem Grund, dass je nach Spiel nicht alle Informationen über die gegnerischen Aktivitäten einsehbar sind. Im Schnitt werden jede dreißig Sekunden bis jede Minute taktische Entscheidungen getroffen.
  • Reaktive Kontrolle: Beschreibt die Umsetzung der Taktik. Diese Kategorie bezieht sich primär auf die Situationen, in welchen die Armeen mehrerer spielenden Personen aufeinandertreffen und kämpfen. Einzelne Einheiten in diesen Kämpfen gezielt zu steuern, Gefahren auszuweichen, Formationen aufrechtzuerhalten bzw. feindliche Schwächen zu erkennen und auszunutzen sind ein Teil dieser Entscheidungen. Spielentscheidungen dieser Art werden in Kampfsituation jede Sekunde getroffen und im professionellen E-Sport oftmals mit der Einheit Actions-per-Minute (APM) gemessen.

Age of Empires II: Definitive Edition (Forgotten Empires, 2019)

Künstliche Intelligenz

Wenn von künstlicher Intelligenz in Echtzeit-Strategie-Spielen gesprochen wird, wird im Anschluss oftmals auf die Probleme und Schwierigkeiten eingegangen, die damit einher gehen. Viele der Probleme lassen sich auf die große Komplexität und den Echtzeit-Aspekt zurückführen.

Es wird gerne der Vergleich zu Schach herangezogen. Schach besitzt mit einer begrenzten Möglichkeit an Zügen und einem Spielbrett mit 8 ∗ 8 Feldern eine geschätzte Komplexität eines deterministischen Zustandsbaumes von 1050 verschiedenen Möglichkeiten, wie das Spiel verlaufen kann. Groben Schätzungen zufolge beginnt die Komplexität eines Echtzeit-Strategie-Spiels mit einer vergleichsweise überschaubaren Karte der Größe von 128 ∗ 128 Feldern bei 101685 Möglichkeiten. Dabei spielen sowohl die Kartengröße eine Rolle als auch die Entscheidungs- und Zugmöglichkeiten von Einheiten und dem Wahl und der Platzierung von Gebäuden.

Mindestens 30 mal pro Sekunde muss eine KI die aktuelle Situation evaluieren und Spielentscheidungen für allen drei Entscheidungsebenen treffen. Durch die hohe Komplexität und benötigte Rechenleistung kann dabei nicht iterativ der gesamte Zustandsraum aktualisiert werden. Es ist notwendig ein gewisses Maß an Abstraktion mit einzubeziehen, um den Echtzeit-Aspekt des Spiels zu gewährleisten und trotzdem den Anschein einer Intelligenz zu wahren. Diese Abstraktion wurde in vergangenen und gegenwärtigen Genre-Vertretern durch verschiedene Implementationen von deterministischen und nicht-deterministischen KI-Algorithmen erreicht.

Die einfachste und am meisten verwendete Technik, um eine künstliche Intelligenz zu implementieren ist Cheating. Der KI wird Zugang zu Informationen gewährt, die Spieler:innen, wären sie in der selben Situation, nicht hätte. Das kann zum Beispiel die Position von gegnerischen Einheiten sein oder ihre wirtschaftliche Situation, im Bezug dazu wie viele Rohstoffe ihr zu Verfügung stehen und wo sie diese abbaut. Dadurch wird das Problem der Unsicherheit verkleinert und somit auch die Komplexität der benötigten Algorithmen. Cheating hat jedoch die Eigenschaft, dass es Spielern:innen mit wachsender Erfahrung auffällt und damit oftmals der das Interesse an einem Wettkampf mit der KI verloren geht.

Zum Einen kann das Verhalten der künstlichen Intelligenz hard-coded festgelegt werden. Bedeutet, dass zum Beispiel eine feste Reihenfolge definiert wird, in welcher die KI Gebäude errichtet und/oder Einheiten ausbildet. Einfache Statusbäume und endliche Automaten kön- nen zusätzliche Tiefe bieten, indem zwischen mehreren Vorgehensweisen gewechselt wird, je nachdem ob bestimmte äußere Voraussetzungen erfüllt sind. [1]

Dieser Ansatz hat jedoch zur Folge, dass die spielende Person schnell Muster und Schwächen der KI erkennen und schließlich ausnutzen kann, was die Herausforderung stark vermindert. Maschinelles Lernen und auch neuronale Netzwerke können das Problem einer unflexiblen KI beheben, indem während oder auch nach einem Spiel mithilfe von Aufzeichnungen die KI trainiert wird. Potential-Fields können im Bezug zur geografischen Wegfindung helfen, intelligentere Entscheidungen zu treffen. Binäre Suchbäume bzw. A*-Algorithmen können dafür sorgen, dass eine KI taktische und strategische Entscheidungen trifft, um über den Spielverlauf bestimmten Zielen zu erreichen. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit handelt abstrakten Zielen näher zu kommen. Es sollte auch bewusst die Bezeichnung näher kommen verwendet werden, da es sich, wie zuvor erwähnt, immer um ein gewisses Maß an Abstraktion handelt.

Die hohe Komplexität und die verschiedenen Ebenen der Spielentscheidungen haben zur Folge, dass kein einzelner Algorithmus oder eine einzelne Technologie alle Aspekte einer künstlichen Intelligenz übernehmen kann. Es handelt sich vielmehr um die Komposition von deterministischen (Entscheidungen unter Sicherheit) und nicht-deterministischen (Entscheidungen unter Unsicherheit) KI-Technologien.